sabato 21 dicembre 2013

SKDP/20/002-10. § 20. Kurd Laßwitz: “Die Weltprojekte”

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Kurd Laßwitz
Libero adattamento per finalità autodidattiche di testi e registrazioni di pubblico dominio tratti da Librivox. Acoustical liberation of books in the public domain. Testo tratto da Gutenberg Spiegel e registrazione da Librivox.org Serie: Sammlung kurzer deutscher Prosa 002/10. - Nostra numerazione del Brano: 20. Reader: Dirk Weber / download  di “Die Weltprojekt” (10).  Etext: Gutenberg Spiegel/Laßwitz  - Dizionari: Dicios; Sansoni:.

Die Weltprojekt
Kurd Laßwitz
(1848-1910)

Als die Welt geschaffen wurde, mußte selbstverständlich zuvor das Projekt sein.

Natürlich nicht bloß eins. Es gab unendlich viele mögliche Welten in unendlich vielen möglichen Räumen. Und da es sich um eine wichtige Sache handelte, so hatten die Oberengel den Auftrag, sie sämtlich bis ins einzelne auszuarbeiten.

Die Zeit drängte nicht, denn das Maß der Erddrehung war noch nicht erfunden, und so gedachte der Herr, die beste aller möglichen Welten auszusuchen, um sie als die einzig wirkliche Welt zu schaffen.

Die beste erkannte er freilich auf den ersten Blick. Darin gab's nämlich gar keinen Widerspruch, keine Reibung, keine Störungen, keine Schmerzen, keine Dummheiten; nichts als blitzblaue Seligkeit und Zufriedenheit; und dabei wußte niemand, womit er eigentlich zufrieden war. Denn alle waren immer einig, und es war ganz unmöglich, sich über etwas zu ärgern.

Schon wollte er diese Welt des höchsten Glücks aller ausführen, als er sich erst den Kostenanschlag ansah. O weh! Die vollkommenste Welt war leider die teuerste von allen. Sie war wirklich zu teuer. Sie brauchte nämlich einen fortwährenden baren Zuschuß, weil ja kein Wunsch unbefriedigt bleiben durfte. Das konnte sich nur eine Aktiengesellschaft leisten, und die ließ sich nicht schaffen; auch wäre die Welt sonst nicht mehr vollkommen gewesen.

Es wurden also die zu teuren Welten von vornherein ausgeschieden, ebenso die zu billigen, denn die waren Schundware. Dann noch ein paarmal engere Wahl, und schließlich behielt der Herr zwei übrig. Er nannte sie Projekt A und Projekt B. Die wurden in Lebensgröße ausgeführt.

Zunächst sollten sie nun einmal Probe laufen.

Es wurde also die Gesamtenergieverteilung für den Anfangszustand zur Zeit Null eingestellt, und dann wurde die Zeit angelassen. Zuerst bei der Welt A. Da ging's los, und die Welt schnurrte ab, daß es eine Freude war.

Als das so ein paar Dezillionen Jahre gedauert hatte, was ja doch bei einem Weltversuch noch nicht viel sagen will, da machte der Herr eine kleine Stichprobe. Er griff mal so gerade in eins der unendlich vielen Milchstraßensyteme hinein, holte sich eine Sonne heraus, nahm einen von ihren Planeten und betrachtete sich das Zeug näher, das darauf wuchs und herumkrabbelte. Es sah beinahe aus wie auf unserer Erde.

»Wie gefällt's euch da?« fragte der Herr. »Ist's nicht ne schöne Welt?«

»Danke der gütigen Nachfrage«, antwortete eine Stimme. »Will mal nachsehen.«

»Was? Nachsehen? Ihr werdet doch wissen, wie's euch gefällt?«

»Ich will im Gefühlskalender nachschlagen, was ich zu antworten habe. Hier steht's schon: Eine schauderhafte Welt ist es.«

»Was soll das heißen?«

»Ich will mal im Verstandeskalender nachschlagen. Also: Wegen der absoluten Gesetzmäßigkeit der mathematischen Logik, die dem Weltprojekt zugrunde gelegt ist, sind alle Ereignisse und alle Gefühle von vornherein bestimmt, und man kann sie sowohl für die künftige wie für die vergangene Zeit in den automatischen Reproduktionsregistern aufsuchen. Wenn ich also wissen will, warum ich meine Ansicht habe, so brauche ich bloß –«

»Aber was willst du damit gewinnen? Du mußt doch selbst entscheiden –«

»Was ich will? Ich werde im Willenskalender nachschlagen –«

»Ich meine, warum ihr die Welt schauderhaft findet.«

»Eben darum, weil sie so absolut korrekt ist, daß man alles aus dem Wirklichkeitskalender erfahren kann. Auch was man wollen muß – man weiß es ja nicht gerade vorher, aber man kann's doch wissen, wenn man's nachschlägt.«

»Dafür seid ihr vor allen Torheiten geschützt.«

»Aber man lebt ja gar nicht, man sucht nur immer in den Kalendern; und wenn man gesehen hat, wie's kommen wird, so möchte man's gar nicht erst erleben. Da sehe ich zum Beispiel aus dem Willenskalender, daß ich morgen beim Festessen zu Ehren unseres Direktors eine Rede halten will, aber aus dem Gefühlskalender erfahre ich, daß ich mich blamieren und dabei den Mann noch bedenklich vor den Kopf stoßen werde.«

»Da mußt du es lassen oder die Rede abändern.«

»Das ist eben das Schauderhafte. Ehe ich nun im Verstandskalender finde, ob und wie das sein kann! Nichts läßt sich ändern in dieser Welt! Das kleinste Fleckchen oder Stäubchen wirkt nach in alle Ewigkeit, irgendwo bleibt's hängen.«

»Aber das vergißt man doch.«

»Vergessen! Ja, wenn wir eine Bewußtseinsschwelle hätten! Aber selbst wenn man's vergessen könnte, es steht doch immer in den Weltplänen, und irgend jemand kann's auffinden. Nein, nein! Alles erfahren, aber nichts ändern können, das ist schlimm. Und wenngleich alles noch so vorzüglich gut ist, eine Welt, in der man nichts besser machen kann, ist doch schauderhaft!«

Da setzte der Herr den Planeten wieder an seinen Platz, die Sonne in ihr System und die Milchstraße in ihren Raum und stellte die Zeit ab, daß die Welt außer Betrieb gesetzt war.

»Nein«, sagte er zu dem Oberengel, der das Projekt A gemacht hatte, »die beste Welt ist das nicht. Wir wollen einmal das Projekt B probieren.«

Diese Welt sah von außen ganz ähnlich aus wie A, denn sie war auch nach dem Prinzip der ineinandergeschachtelten und bewohnten Sternsysteme gebaut. Der Engel ließ also die Zeit laufen, und als ein Dutzend Zentillionen Jahre vorbei waren, langte sich der Herr wieder einen Planeten heraus und betrachtete sich die Lebewesen darauf.

»Na, wie geht's?« fragte er. »Wie gefällt euch die Welt?«

»Schauderhaft, ganz schauderhaft!« schrie eine große Anzahl Stimmen durcheinander.

»Nun, nun!« sprach der Herr beruhigend. »Immer einer nach dem andern!«

Aber das half nichts. So klagten alle gleichzeitig, bis er sich so ein Persönchen herausnahm. Das war nun auf einmal ganz vergnügt, und als es der Herr fragte, wie ihm die Welt gefiele, da rief es:

»Ach, so ist es ganz wunderschön! Jetzt bin ich für mich, da ist ja alles gleich vorhanden, was ich wünsche. Will ich mal tüchtig arbeiten, so ruckt und zuckt mir's in allen Muskeln, und das Gehirn müdet sich ab. Will ich ruhen und sage, hier soll ein hübsches Häuschen stehen in einem großen, stillen Park und ein bequemer Schlafstuhl auf der Veranda, so lieg' ich gleich dort und rauche meine Havanna. So ist's ganz ausgezeichnet hier.«

»Warum rieft ihr denn alle: Schauderhaft! Schauderhaft!«

»Ja, Herr, sobald einer von uns für sich allein etwas wünscht, da haben wir ja alles; es steigt willig hervor, und nichts kann sich stören. Wenn wir aber da im Raum auf der Wohnkugel zusammenstecken, da stoßen die schönen Gedanken und Phantasien, all die köstlichen Träume meiner Seele zusammen mit den ebenso mächtigen meiner Mitbewohner und geraten in Wettbewerb. Wo ich meinen Garten habe, da läßt der Nachbar seine sechs Jungen Ball schlagen und nach Herzenslust schreien. Denn es gibt ja kein Mittel, zu verhindern, daß das geschieht, was jeder sich ausdenkt. Die Vorstellung genügt, um das Mögliche zum Dasein zu bringen. So besteht allhier nichts Sicheres, nichts Gewisses! Also tu mir die einzige Gnade an und nimm all die anderen Bewohner aus der Welt, damit ich in meiner schönen Eigenwelt nicht beeinträchtigt werde!«

»Ha, hm!« sagte der Herr bedenklich und brachte das Persönchen wieder in das Weltsystem an seine Stelle, wo es sofort aufs neue zu lamentieren anfing.

»Das ist also auch nichts Rechtes mit dem Projekt B«, sprach der Herr und stellte die Zeit ab.

Die beiden Oberengel machten einigermaßen unzufriedene Gesichter, soweit das anging, und erboten sich sogleich, neue Projekte einzureichen.

Aber der Herr meinte: »Ach was, das hat ja keine Eile mit der Weltschöpfung. Diese eure Welten taugen beide nichts. Vielleicht fällt euch später was Besseres ein. Vorläufig geht's auch so.«

Damit nahm er die beiden Weltmodelle und setzte sie der Bequemlichkeit wegen ineinander in die Himmelsrumpelkammer.

Nach ein paar Dezillionen Jahren blickte der Herr zufällig wieder in diese Ecke und merkte, daß die beiden zurückgesetzten Welten im Gange waren.

Er rief sich die beiden Engel und fragte, wer sich denn erlaubt habe, die Zeit anzulassen, so daß die Welten weiter Probe liefen.

»Ich habe nur meine übrige Zeit genommen«, sagte der vom Projekt A etwas ängstlich.

»Ich auch nur meine«, sagte der vom Projekt B desgleichen.

»Ja«, riefen sie beide, »wir wollten bloß einmal versuchen, welche es besser aushält, wenn sie gleichzeitig liefen.«

»So?« sprach der Herr gütig. »Da wollen wir doch einmal nachsehen, was daraus geworden ist.«

Und er griff wieder in das kombinierte Weltsystem und holte sich einen Bewohner heraus. Daß er immer den richtigen traf, verstand sich ja von selbst.

»Nun?« fragte er. »Wie geht's bei euch jetzt?«

»Ausgezeichnet«, antwortete der Mensch; denn ein solcher war es.

»Wie kommt das? In der Welt A jammerten sie doch, es sei alles so notwendig bestimmt, daß nichts geändert werden könnte, und in der Welt B klagten sie, weil alles, man mag sich ausdenken, was man wolle, gleich da sei und deshalb nichts Festes zusammenstimme.«

»Ja, Herr, das haben wir eben ausgeglichen. Wir haben aus den beiden Welten eine neue gemacht, unsere eigene. Wir bilden nämlich eine besondere Gesellschaft für Weltverbesserung.«

»Das wäre! Wie denn?«

»Sehr einfach. Die Welten laufen nun mal, darauf sind wir angewiesen. Aber nun nehmen wir aus B die Phantasie, und aus A nehmen wir das Gesetz. So bewirken wir die Ergänzung. Was wir als wünschenswert vorstellen, machen wir auch wirklich, und das Unabänderliche nutzen wir zum Vernünftigen.«

»Nicht übel! So steuert ihr ja gerade auf die vernünftige Welt los, die ich erwarte. Na, so mögt ihr sie euch denn selber schaffen, ich will sie bestätigen. Und wer bist du denn eigentlich?«

»Ich bin der Ingenieur.«

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